Schüler engagieren sich für Schüler

Nur durch Bildung kann die Stellung der Roma in der Gesellschaft verbessert werden. Darum initiierten Innsbrucker Schüler ein Projekt, mit dem eine Schule für Roma in Ungarn finanziert wird. Bisher konnten so 45.000 Euro gesammelt werden.

 

 
Roma-Schule: Mit den Spendengeldern konnte das Dr.-Ambedkar-Gymnasium in Nord-Ungarn an westliche Standards angeglichen werden.

Von Judith Sam

Wer in der vorweihnachtlichen Zeit Gutes tun will, hat es dieses Jahr besonders einfach: Durch den Kauf eines eigens gestalteten „Roma-Sackerls“ unterstützt man nämlich Roma-Kinder und kann gleichzeitig seine Einkäufe bequem transportieren.

Schüler des Innsbrucker Gymnasiums am Adolf-Pichler-Platz initiierten dieses Projekt bereits vor einem Jahr. Und da es sehr erfolgreich verlief, geht die Aktion heuer bereits in die zweite Runde. Unterstützt durch Lehrer wie Angela Bachlechner konnten bisher knapp 45.000 Euro gesammelt werden: „Wir wollten den Schülern zeigen, dass man etwas verändern kann, wenn man sich nur engagiert.“

Gesagt, getan. Die Gymnasiasten organisierten Flohmärkte, verkauften selbstgebackenes Brot, machten Tombolas und wandten sich an die Firma MPreis. Dort wurden laut Ingrid Heinz von MPreis eigene Roma-Plastiksackerl entworfen: „Mit 39 Cent kosten sie etwas mehr als eine konventionelle Tasche. Diese Differenz wird jedoch gespendet.“ Da diese Aktion vergangenen Winter bereits sehr erfolgreich verlief, werden die Taschen auch dieses Jahr wieder angeboten.

Auch Gymnasiums-Direktorin Evelin Müller-Bürgel ist begeistert von der Initiative ihrer Schüler: „Das gesammelte Geld kommt dem Dr.-Ambedkar-Gymnasium im Gebiet Borsod, in Nord-Ungarn, nahe der slowakischen Grenze zugute. Wir haben uns für dieses Projekt entschieden, da das Roma-Problem nach wie vor aktuell ist.“ Eine UNICEF-Studie gibt ihr Recht: 75 Prozent der Roma-Kinder brechen die Schule ab. Jedes dritte Kind lebt in extremer Armut, immer wieder ignorieren Schuldirektoren das Recht auf Bildung und weigern sich, die Roma-Kinder in ihren Schulen aufzunehmen.

Davon machten sich die Direktorin und ein kleines Lehrerteam selbst ein Bild vor Ort: „In der Roma-Siedlung, wo die Schule steht, herrscht fürchterliches Elend. Es gibt kaum Kanalisation oder Strom. Die Toiletten sind ein Verschlag aus Kartons und Decken, Duschen sind rar, Waschmaschinen nahezu Luxus. Daher wurden die Spendengelder für Investitionen verwendet, die in Tirol ganz selbstverständlich sind.“ Dank der gesammelten 45.000 Euro konnte die Schule an Strom und Kanalisation angeschlossen, Waschmaschinen gekauft und die Sanitäranlagen erneuert werden. Zudem errichtete man eine Lernwerkstatt und eine Kinderkrippe. „Viele der Schülerinnen sind schon in jungen Jahren schwanger und brechen ihre Ausbildung ab“, weiß Izabella Antaloczy, die Ungarisch-Lehrerin am Gymnasium Adolf-Pichler-Platz. In der Kinderkrippe können Babys nun während des Tages beaufsichtigt werden, wenn ihre Mütter den Pflichtschulabschluss oder im Optimalfall die Matura absolvieren.

„Roma haben in der Gesellschaft aufgrund alter Vorurteile keinen leichten Stand“, ergänzt Antaloczy. Das liege jedoch oft auch daran, dass sie nur über einen niedrigen Bildungsgrad verfügen: „Sobald Romas die Matura oder ein Studium in der Tasche haben, steigen ihre Berufschancen deutlich.“ Diese Investitionen in die Schule sind auch ein wichtiger Schritt, um gut ausgebildeten Roma in ihrer Heimat möglichst gute Jobchancen zu offerieren. So kann man ihrer Abwanderung in den Westen entgegenwirken. Die Zahl der Asylanträge von Bürgern aus südosteuropäischen Staaten stieg in letzter Zeit nämlich besonders in Belgien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden an – wobei auch oft Roma um Asyl ansuchten. Kanada hatte 2009 sogar die Visapflicht für Tschechen eingeführt, um dem verstärkten Zufluss – meist von Romas – Herr zu werden. In Österreich leben laut Schätzung des Volksgruppenbeirats der österreichischen Roma knapp 40.000 Sinti und Roma.

Das Geld, das MPreis und die Innsbrucker Gymnasiasten dieses Jahr sammeln werden, ist laut der Direktorin bereits verplant: „Damit wird dann ein Schülerheim in Ungarn gebaut werden. So kann den knapp 400 Roma-Schülern neben der schulischen auch eine gesellschaftliche Bildung vermittelt werden. Außerdem können dort auch spätberufene erwachsene Roma wohnen, die ihre Matura nachmachen.“

 

Tiroler Tageszeitung, Printausgabe vom Sa, 08.12.2012

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